Ein Bericht des Gründungsmitglieds Böhner aus der Gründerzeit.

 

Der Werdegang der englischen Großkröpfer

 

und Zwerge.

 

Von August Böhner, Gründer des Klubs der Züchter englischer Kröpfer einschl. Zwergkröpfer.

 

Wie uns aus der Taubenliteratur bekannt ist, blickt die Rasse der englischen Großkröpfer bereits auf ein Alter von über 200 Jahren zurück, wohingegen die Zwergkröpfer erst um 1900 entstanden sind. Um eine konstante Rasse herauszuzüchten bedarf es meistens einer langen Zeit, denn immer wieder kommen Rückschläge aus den zur Erzüchtung verwendeten Stammtieren zum Durchbruch. Aus welchen Kröpferarten die englischen Großkröpfer herausgezüchtet worden sind, lässt sich mit Bestimmtheit nicht mehr feststellen, alle bisher gemachten Angaben dürfen daher auf Vermutungen beruhen. Jedenfalls aber hat vor 250 Jahren bereits züchterisches Geschick den Grundstein zu der heutigen wunderbaren Kropftaube gelegt. Die deutsche Rassegeflügelliebhaberei erwachte zuerst um 1850 und wurden um diese Zeit in Deutschland die ersten Geflügelzuchtvereine gegründet. Einer der ersten Geflügelzüchtervereine trat unter der Gründung des Herrn Emil Greupel in Leipzig ins Leben. Dieser Verein hielt vom 12. bis 16. Januar 1870 seine erste Ausstellung in Leipzig ab. Hier wurden zuerst in Deutschland englische Kröpfer gezeigt, von denen der unter Katalog-Nr. 123 von Emil Greupel ausgestellte Tauber mit dem 1. Preis prämiert wurde. Beim Vergleich dieses Tieres mit unseren heutigen Tieren können wir uns einen Begriff machen von dem Werdegang der englischen Kröpfer und der geleisteten züchterischen Arbeit.

Um 1900 gab es in Deutschland schon eine große Anzahl Züchter englischer Kröpfer und werden uns die Namen Heinrich Marten, Mundt, Ledosquet, Rausch, Peters, San-Rat Müller, Speckhan unvergesslich bleiben. Den Hauptaufschwung nahm die Zucht aber erst nach der Gründung des Klubs der Züchter englischer Kröpfer einschl. Zwergkröpfer auf der 15. Nationalen in Frankfurt a. Main vom 10. bis 12. Februar 1912. Auf dieser Nationalen waren 92 englische Großkröpfer und zum ersten Male 10 Zwerge ausgestellt. Die Aussteller Ledosquet, Maurer, Speckhan, Eckstein, Hambüchen, Peters und Böhner beschlossen einen Klub zu gründen. Zu diesem Zwecke wurde am 1. Mai 1912 in Düsseldorf im Hotel Monopol-Metropole eine Zusammenkunft verabredet und fand die Gründung des Klubs durch den ernannten Schriftführer Böhner statt. Bald schon war die Mitgliederzahl 50 erreicht und es entwickelte sich unter den Mitgliedern ein nie geahnter züchterischer Eifer. Jeder suchte den anderen zu überflügeln. Das Stammland unserer Kröpfer hielt seine Ernte, denn im Gründungsjahre wurden schon über 100 der feinsten Großkröpfer und Zwerge aus England eingeführt. Durch diese neue Blutauffrischung blieb der züchterische Erfolg auch nicht aus, denn unsere 1. Paradeschau in Köln am 9. Dezember 1912 wies 144 und die 2. in Frankfurt am 9. November 1913 147 Großkröpfer und Zwerge auf.

Unter diesen Ausstellungstieren befanden sich ganz hervorragende Vertreter dieser Rasse. Der Krieg lähmte zwar unsere Vereinstätig aber vermochte nicht unsere Zucht zu zerstören. Im Gegenteil hielten die Züchter ihre Tiere durch und sie vervollkommneten diese weiter, namentlich wurden die Zwerge sehr verbessert.

Ein festgeschriebener Standard ist die einzige Gewähr, eine Rasse auf die höchste Stufe zu bringen. Der vom Klub festgesetzte Standard wird leider heute noch von vielen Preisrichtern nicht beachtet, sonst könnten bei der Bewertung nicht immer wieder die schweren Fehler gemacht werden.

Durch falsche Bewertung werden die Züchter irritiert und es sollten die Preisrichter, die nicht nach dem Standard richten können oder wollen, von der Prämiierung der englischen Kröpfer ausgeschlossen werden. Deshalb bringen wir die Musterbeschreibung zum Abdruck und hoffen, dass hierdurch in Zukunft eine einheitliche Bewertung stattfindet.

 

Nach unseren Erkenntnissen die erste Musterbeschreibung

 

Stammland: England

Größe: 40 – 48 cm von der Schnabelspitze bis zum Schwanzende gemessen. Die Länge ist heute nicht mehr die Hauptsache.

Gestalt und Haltung: Hoch aufgerichtet, sehr schlank. Die Stellung muss so aufrecht sein, dass vom Auge zur Fußsohle eine lotrechte Linie zu ziehen ist. Temperament sehr lebhaft.

Kopf: Im Verhältnis zur Größe der Taube klein, glatt gewölbt. Stirne mäßig hoch.

Schnabel: Lang, ziemlich kräftig, Nasenwarze klein, etwas aufgetrieben, glatt und weiß gepudert, Farbe dem Gefieder entsprechend.

Auge: Bei Farbigen hellrot, bei Weißen dunkel. Da englische Kröpfer nur nach dem Gesamteindrucke beurteilt werden sollen, so darf die Farbe der Augen nicht von ausschlaggebendem Werte sein. Nur dann, wenn bei gleichguten Tieren das eine ein vorschriftsmäßiges und das andere ein fehlerhaftes Auge hat, so soll vom Preisrichter das erstere dem letzteren vorgezogen werden.

Kehle: wird durch den Kropf verdeckt. Bei nicht aufgeblasenem Kropfe bildet die Kehle einen fast spitzen Winkel.

Hals: Je länger, um so besser. Vom Hinterkopfe bis zu den Schultern im aufgeblasenem Zustande einen sanften Bogen bildend. Der aufgeblasene Kropf soll kugelrund sein, jedoch nach der Brust zu sich allmählich verengern. Der Hinterhals muss sich auf dem Kropfe deutlich markieren. Der Kropf muss mit einem Einschnitt auf der Brust abgelegt sein. Die Täubin hat kleineren Kropf.

Brust: Die Partie von dem Kropfe bis zu dem Schenkel nennt man Taille, auch Weste, diese soll so lang und schmal wie nur möglich sein. Je länger und dünner, um so besser. Das Brustbein soll aus der Taille zart hervortreten.

Rücken: Lang, gerade, mit dem Schwanz eine gerade Linie bildend, Zwischen den Schultern etwas hohl, sehr steil nach hinten abfallend.

Flügel: Lang und schmal, sehr fest geschlossen, Flügelbug und Stoß etwas vom Körper abstehend. Flügelspitzen auf dem Schwanze liegend, sollen sich nicht kreuzen und erreichen nicht ganz das Schwanzende.

Schwanz: Mäßig lang, geschlossen, an der Spitze abgerundet. Die federn kräftig und breit. Die Schwanzspitze darf den Boden berühren, doch ist es besser, wenn die Spitzen den Boden nicht ganz erreicht. Spaltschwänze sind zwar unschön, aber als Fehler sollen diese bei der Prämierung nicht angesehen werden.

Bauch: Lang und sehr schmal, dünn im Umfang.

Beine und Füße: Je länger und enger zusammenstehend, um so besser. Das Knie (eigentlich ist es die Ferse) soll sehr wenig nach hinten und innen gerichtet sein, jedoch nicht mehr, dass sich die inneren Zehenspitzen bei richtigem Stande berühren. Die Schenkelmachen vom Rumpfe bis zu den sog. Hacken einen sanften Bogen nach vorn. Zuviel herausgedrückte Schenkel wirken unschön. Die größte Länge der Beine beträgt vom Oberschenkelgelenk bis Mittelzehenspitze ohne Nagel 18 cm, jedoch sind Längen von 17,5 und 17 cm bei richtigem Stande genügend, um dem Kröpfer eine schöne, hohe Stellung zu geben. Schenkel und Läufe sind mit kleinen, weißen Federchen besetzt, die dicht anliegen sollen. Die Zehen sollen mit 3–5 cm langen und schmalen Federn so besetzt sein, dass diese gleichsam Teller bilden.

Farbe und Zeichnung: Schwarz, blau, rot, gelb, rotfahl, silberfarbig, isabellen-geherzt und weiß. Satte Farben sind erwünscht – jedoch selten. Je intensiver die Farbe, um so mehr Neigung zu bunten Schenkeln und Zehen. Bei schwarz- und blaugeherzten sind Kopf, Hals, Brust, Flügelschilder und Schwanz farbig. Bei den rot- gelb und rotfahlgeherzten soll der Schwanz weiß sein – doch ist dieser meist hellfarbig. Bei sämtlichen farbigen englischen Kröpfern ist der untere Teil der Taille, Bauch, Schwingen und Beine weiß. Über die Mitte des Halses zieht sich von dem einen Auge zum anderen ein halbmondförmiges weißes Band, das sog. Herz. Die Halbmondspitzen dürfen nicht übers Ohr hinaus nach dem Hinterkopf gehen. Die Herz- und Taillenzeichnung ist selten so, wie sie gewünscht wird. Nahe dem Flügelbug befindet sich die sog. Rose; sie wird gebildet durch eine geringe Anzahl (5-12 Stück) einzeln stehender weißer Federchen. Auch diese Zeichnung entspricht selten den Vorschriften. Die farbige Brust muss von dem weißen Unterleib in gerader Linie scharf abschneiden.

Grobe Fehler: Plumper, massiver Gesamteindruck, niedrige, breite Stellung, mangelhafte Kropfbildung, zu wenig lotrechte Stellung.

Putzen und Frisieren: Es dürfen dem englischen Kröpfer, um die Eleganz seiner Erscheinung voll und ganz zum Ausdruck zu bringen, alle, die hohe, enge Beinstellung oder vorschriftsmäßige Zeichnung beeinträchtigenden Federchen entfernt werden, doch nur soweit, dass nicht kahle Stellen oder Stoppeln auffällig sichtbar werden. Man nennt diese statthafte Verschönerung „Putzen und Frisieren“. Ein Färben von Federchen oder sogar ein Ankleben solcher ist unstatthaft.

Dressur: Ausstellungsfähig ist mit Erfolg nur dann selbst der in allen Teilen feinste englische Kröpfer, wenn diesem eine solche Dressur gegeben ist, dass vor dem Preisrichterstabe sich die Taube nicht ängstlich in eine Käfigecke zurückzieht, sondern auf anrufen hin sich in Positur setzt.

Englische Zwergkröpfer

 

Die Musterbeschreibung des großen englischen Kröpfers soll auch für den Zwergkröpfer in all seinen Einzelheiten und Bestimmungen insoweit maßgebend sein, dass dem Zwerge viel geringere Längenmaße und entsprechend geringere Beinhöhe vorgeschrieben werden. Diese Taube soll als Zwerg außerordentlich zierlich sein. Gewünscht wird als höchstes Längenmaß 35 cm und eine Beinhöhe von 15 cm. Je höher die Beinstellung und je kleiner und zierlicher dieser Kröpfer ist, desto wertvoller das Tier.

Im Jahre 1900 gab es schon englische Kröpfer in schönen Formen. Das Bild aus „Feathered Wings“, February 1900, zeigt einen blauen englischen Kröpfer des Herrn U. Leiph, der als Sieger der „Crystal-Palace“-Schau hervorgegangen ist. Ob dieses Tier nun wirklich bereits diese edlen Formen aufgewiesen hat, können wir nicht mehr feststellen. Jedenfalls hat Herr Leiph aber ein ganz hervorragendes Tier gezeigt. In unseren weitern Bildern zeigen wir den ersten Vorstand des Klubs der Züchter englischer Kröpfer im Jahre 1912 und eine Aufnahme des jetzigen Vorstandes mit einer Anzahl englischer Großkröpfer und Zwerge nach neuesten Aufnahmen. Vieles ist in der Zucht erreicht worden, aber noch mehr müssen wir zu erreichen suchen, um zu der uns vorschwebenden Idealfigur zu gelangen.

Die Zucht der englischen Kröpfer erfordert eine zähe Ausdauer und ein festes Zusammenarbeiten der Züchter. Zum Schlusse möge jeder Züchter die von Herrn Lehrer E. Strack, Ruppertenrod, Oberhessen, aufgestellten Winke für Kröpferzüchter beherzigen.

 

Winke für Kröpferzüchter

 

  1. Kröpfer sind Formentauben, darum muss ihre Gestalt stets im Vordergrunde stehen. Alles andere kommt erst in zweiter Linie.
  2. Habe acht auf die Zuchttäubinnen. Nimm nur starke Täubinnen mit gutem Blaswerk: denn auf die Täubin kommt es bei der Kröpferzucht ganz besonders an. Schwache Täubinnen verderben die Zucht.
  3. Stelle möglichst nicht zwei Tiere des letzten Jahrgangs zusammen. Die besten Resultate werden erzielt, wenn man im Alter der Zuchttiere Unterschiede von 1 – 2 Jahren obwalten lässt.
  4. Vergewissere dich über die Abstammung deiner Zuchttiere, dann bleibst du von großen Enttäuschungen bewahrt. Nach vielen Erfahrungen merkst du, dass die Ahnenreihe von viel größerer Bedeutung ist als die hervorstechendsten Merkmale des Elterntieres.
  5. Ein Ausstellungsblender taucht für die Zucht oft gar nichts. Suche einen Blick für Zuchttiere zu gewinnen, dann sparst du Geld und kommst am ersten weiter.
  6. Nimm dich vor Überbläsern und Würgern in acht. Zur Zucht taugen solche Tiere meist gar nichts, so imposant ein Riesenbläser, der nie die Luft gehen lässt, auch aussehen mag. Starkes, aber doch natürliches Blaswerk, das ist das Ideal.
  7. Vergiss nicht, dass Kröpfer mehr als andere Tauben gegen nasses und kaltes Wetter empfindlich sind. Halte deinen Schlag frei von Zugluft.
  8. Sieh sehr auf reinliches Trinkwasser deiner Tiere und erneuere es öfters; denn Kröpfer schadet verdorbenes Wasser mehr als Tauben ohne so große Kröpfe.
  9. Bedenke, dass die Kröpfer meist nicht so gut füttern, wie es andere Rassen tun. Besonders beobachte, dass sie im Sommer nicht zuviel trinken; denn sie füttern dann übermäßig mit Wasser, und das ruiniert die Jungen.
  10. Richte bei starken Bläsern, besonders älteren Tieren, deine Aufmerksamkeit auf etwaige Hängekröpfe. Diese sind leicht zu behandeln, führen aber bei Unachtsamkeit zum sicheren Tode. Der Strumpf ist das einfachste und beste Mittel.
  11. Kröpfer brauchen neben der unerlässlichen Gerste schweres Futter. Mais, Erbsen, Wicken und die großen Arten auch kleine Bohnen, empfehlen sich in erster Linie.
  12. Halte stark blasende Tauben nicht mit anderen Tauben zusammen; denn sie sind unbeholfener als diese und ziehen im Streite selbst schwächeren Gegnern gegenüber den kürzern.
  13. Kröpfer verlangen für die Schau unbedingt Dressur. Übst du solche nicht, dann wird dir auch dein schönster Kröpfer keine Freude machen.
  14. Glaube nicht, wenn du ein schönes Tier erzüchtet hast, nun wäre der Erfolg für immer da. Bedenke, wie viel zu einem erstklassigen Kröpfer gehört und wie tückisch die Vererbung ist.
  15. Beherzige, dass man in der Tauben- und besonders in der Kröpferzucht niemals auslernt. Mache dir stets die Erfahrungen erfolgreicher Züchter zugute und glaube nicht, dass du immer und in jedem Falle recht hättest.

 

Dieser Bericht stammt aus der Gründerzeit, ist in „AltdeutscherSchrift“ geschrieben und wurde nun von Gerd Voß „übersetzt“.

Zuchtfreunde trennt auch kein Stacheldraht. Dr. Kühschelm besucht 1984 die Zuchtfreunde Stanke und Muschner in der damaligen "DDR".

v.links: Zfr. Muschner, Zfr. Stanke, Zfr. Dr. Kühschelm